Wir haben gelernt, unsere Kraft und unser Können zu erweitern: mit einfachen Maschinen, Dampf, Elektrizität, Verbrennungs-motoren… Digitalisierung bedeutet, eine weitere Dimension ist hinzugekommen. Nicht mehr und nicht weniger. Sie bringt Gefahren mit sich, wie der Strom, das Auto; aber die Voreile überwiegen. Und die digitale Welt ist schon lange Realität. Also lernen wir, damit umzugehen. Die Diskussion, ob wir mitmachen wollen ist unsinnig.
Wir beherrschen den komplexen Vorgang des Autofahrens (mehr oder weniger), also kann der Einstieg in die digitale (Arbeits)welt auch kein Hexenwerk sein. Man lernt den Umgang in kleinen Schritten.
Da es in unserem Schulbezirk kein generelles Fach gab, in dem der Umgang mit dem Computer gelernt wurde, musste jeder Lehrer seinen Teil dazu beitragen, dass die Schüler nicht nur den Unterhaltungswert des PCs schätzten, sondern lernten, ihn als Werkzeug zu benutzen – für die Schule und für das spätere Berufsleben.
Beispiele für den Auf- und Ausbau digitaler Kompetenzen:
Lerneinheit “Dateien”
Organisation des PC Inhaltes mit Hilfe von Ordnern, Ordner-Hierarchien, sinnvolle Namensgebung für Ordner und Dateien, Suchfunktionen und Schlagwörter, Cloud Storage und Backup
Man befürchtete eine Schwächung der Lehrerrolle, wenn die Schüler plötzlich ein Instrument in die Hand bekamen mit dem sie sich (angeblich) besser auskannten als die Lehrer. War aber nicht so. Es stellte sich heraus, dass die meisten Schüler den PC hauptsächlich für zwei Dinge benutzten: Spiele und Videos. E-Mail war überholt bei den Kids, da sie mit dem Smartphone Textnachrichten verschickten oder andere Chat-Möglichkeiten nutzten. Die Facebook App wurde auf dem Smartphone statt dem PC benutzt und rückte dort zugunsten von Twitter, Instagram, SnapChat etc. immer weiter in den Hintergrund.
Etwas hatten die Jugendlichen allerdings voraus: Sie hatten keine Hemmungen, den Umgang mit Technologie durch Versuch und Irrtum zu lernen, und sie waren eindeutig schneller. Die digital immigrants waren vorsichtiger und langsamer, hatten Angst, etwas falsches zu tun, was zu Unrecht als Inkompetenz ausgelegt wurde. Ließ man sich nicht durch das Tempo der jüngeren Generation verunsichern und verlangsamte die Schritte, dann konnte man mithalten. Man musste sich Fehler erlauben und auch mal die jungen Leute um Hilfe bitten. Kein Problem, wenn man die Rolle des Lehrers zu Gunsten der des Lernbegleiters aufgibt. Lehren und Lernen in einer digitalisierten Welt verlangt eben auch die Veränderung der am Lernprozess beteiligten Parteien.
Da waren also diese gefürchteten digital immigrants und wussten oft nicht, wie man einen Computer als Werkzeug verwendet. Abgesehen von der Medienkompetenz in Bezug auf Datensicherheit und Netikette fehlten grundlegende Kenntnisse in den Microsoft Office Anwendungen, der Organisation der Dateien auf dem Gerät, der Verwendung von Suchfunktionen und Kooperationsmöglichkeiten . . . Es gab einiges zu tun.
Und man konnte mit etwas grundlegendem beginnen: Organisation. Nach kürzester Zeit sahen viele Laptops aus wie unordentliche Schulranzen. Die Schüler warfen buchstäblich ohne (Ordnungs)Sinn und Verstand alles in den PC und fanden ihre Dateien nicht mehr, hatten sie überschrieben, versehentlich gelöscht. Wenn der Laptop also das Schulheft oder das Ringbuch ersetzen sollte, dann musste er nach Fächern, Unterrichtskapiteln etc. geordnet werden. Es gab (leider) kein Fach (mehr), in dem diese Dinge gelehrt wurden. Der Auftrag zum Ausbau der digitalen Kompetenzen der Schüler lag bei jedem Lehrer innerhalb des Faches, das er unterrichtete.
Parallel zum Lehrplan für das eigentliche Fach wuchs Stück für Stück “so nebenbei” ein zweites Curriculum.
BYOD Bring Your Own Device brachte vor allem die unterschiedlichen finanziellen Verhältnisse der Elternhäuser zum Vorschein. Deshalb beschloss unser Distrikt, allen Schülern Endgeräte zur Verfügung zu stellen. Es gab mehrere Computerräume und mit Laptops oder Tabletts bestückte Wägen. Aber auch hier stießen wir an Grenzen. Man konnte die PCs, Laptops, iPads nicht immer haben, wenn man sie gerade brauchte. Hatte man einen freien Termin bekommen, musste man vom Stoffplan abweichen und die Stunde wurde aus dem Zusammenhang gerissen. Die Zahl der kaputten Geräte war immer hoch. Keiner fühlte sich verantwortlich. Da durch den schnellen Wechsel kein Nachverfolgen der Vorfälle möglich war, konnten die Verantwortlichen nicht zur Rechenschaft gezogen werden. Und man konnte sich nie auf die korrekte Anzahl der Geräte verlassen.
Also beschloss der Distrikt neben den Klassensätzen in den Grund- und Mittelschulen, alle Schüler ab der neuten Klasse mit einem Laptop auszustatten, den sie für die Dauer von vier Jahren als Leihgerät für die Schule und privat benutzen durften. Diese MacBook Air Laptops (11 inch) konnten auch über die Ferien hinweg behalten werden. Dazu gab es für jeden Schüler einen stabilen Rucksack. Pro Schuljahr sollte ein Versicherungsbeitrag von $ 50 von den Eltern bezahlt werden, dieser wurde jedoch in der Praxis nicht eingefordert. (Gesetzliche Regelung: Wer die Kosten für Schulmaterial nicht bezahlen kann, muss dieses von der Schule gestellt bekommen.)
Nachdem die Eltern in Veranstaltungen und per E-Mail informiert wurden, bekamen die Schüler ihre Laptops. Die Lehrer eines ausgewählten Faches wiesen die Schüler in die Benutzung ein und legten die Benutzerkonten für die distrikteigene Google Plattform an. Jeder Schüler hatte einen Schul-E-Mail-Account über den die Kommunikation mit Lehrern und Mitschülern lief.
–Aha-Erlebnis 1: Das WLAN war zu schwach, da nun zusätzlich zu den ca. 150 Lehrern, die online waren, im ersten Jahr etwa 800 Schüler mit Geräten ans interne Netz wollten. Man lernte und baute schnell aus. Jedes weitere Jahr kam ein neuer Schülerjahrgang dazu, der ein MacBook Air hatte. In Endeffekt gab es dann nach vier Jahren über 2600 Schüler und ca. 150 Lehrer auf dem Campus. Das WLAN musste so stark sein, dass präsentieren, kommunizieren und online arbeiten ohne Pufferzeiten möglich war.
– Aha-Erlebnis 2: Passwort vergessen! Die Bibliothekarinnen der Schule wurden mit zusätzlicher Arbeit beladen. Bis dann neues Personal zuständig wurde für solche und andere Softwareprobleme. Man stellte eine Dame ein, die aus der IT-Branche kam und nur für Tech Support für die Schüler zuständig war.
+ Aha-Erlebnis 3: Es gingen nur noch sehr wenige Geräte kaputt! Wenn, dann bekam man ein Austauschgerät für die Zeit der Reparatur. Die Schüler fühlten sich verantwortlich für „ihren“ Computer.